Grünes Wohnen im Neubaugebiet am Westmoor in Buxtehude

BUXTEHUDE. Es ist die letzte größere und zusammenhängende Fläche, die in Buxtehudes Stadtkern noch bebaut werden kann. Zwischen der Straße Westmoor und dem Wohngebiet Königsdamm sollen 250 Wohnungen entstehen. Kritische Stimmen kommen aus den Reihen der AfD und der Linken.

Tageblatt, vom 30.09.2020, 19:30
Von Karsten Wisser

Das Gebiet gehört der HBI Hausbau- und Immobiliengesellschaft – noch mit Firmensitz in Nottensdorf, bald in Buxtehude. Und das Unternehmen hat jetzt erste Pläne und Ideen vorgestellt, die bei einem Großteil der Politik und der Stadtverwaltung geradezu auf Begeisterung stießen.

Das ist geplant:
In dem Bereich sollen rund 250 Wohnungen für 500 bis 600 Menschen entstehen. Die Bebauung soll größtenteils drei- und viergeschossig ausfallen. Die letzten Gebäude in Richtung Konopkastraße sollen fünf- und siebengeschossig hoch werden. Dort stehen bereits Wohnblöcke mit bis zu zwölfstöckigen Häusern. Das Gebiet ist 36 500 Quadratmeter groß. Zwischen dem neuen Baugebiet und der Straße Westmoor wird ein 90 Meter breiter freier Streifen bleiben. In diesem Bereich ist im Flächennutzungsplan keine Wohnbebauung vorgesehen. Dort gibt es eine landwirtschaftliche Hofstelle. Die Erschließung wird über die Orchideenstraße erfolgen. Die Vorgeschichte: Als nach mehrjährigen Verkaufsverhandlungen der Vertrag Mitte 2015 zwischen der HBI und den früheren Eigentümern unterschriftsreif war, wollte die Stadtverwaltung das vorhandene Vorkaufsrecht nutzen und die Fläche selbst entwickeln. Das scheiterte am Widerstand der Politik, so dass HBI die Fläche im Buxtehuder Norden bekam.

Das Moor:
Das im Flächennutzungsplan ausgewiesene Gelände ist wie beim Königsdamm Moorgebiet und damit eigentlich aus zwei Gründen ungeeignet: Bauen auf dem Untergrund ist aufwendig, und es schadet dem Klima. Die Torfschichten in den Mooren binden klimaschädliche Gase, die beim Ausbaggern des Torfs freigesetzt werden. Deshalb sollen die Häuser jetzt auf dem Torf gebaut werden und die Gründung mit Bohrpfählen erfolgen. Damit kann es dort aber keine klassische Tiefgarage geben, um die geforderten Pkw-Stellplätze bereitstellen zu können. Deshalb wird es begrünte Innenhöfe mit fast ebenerdigen Garagen geben, die barrierefrei erreichbar sind. Nach Aussage des planenden Büros KBNK-Architekten werde das Ausbaggern von 80 000 Kubikmetern Torf gespart. Die Torfschicht ist rund drei Meter tief.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit:
Um der aktuellen Diskussion zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit gerecht zu werden, will die HBI außerdem so bauen, dass das neue Stadtquartier eine treibhausgasneutrale Immissionsbilanz im Betrieb hat. Die Gebäude werden durch ein Nahwärmenetz versorgt, der verbrauchte Strom selbst erzeugt. So sollen Photovoltaik für die Stromerzeugung und Solarthermie für Warmwasser benutzt werden. Auch sind Gründächer vorgesehen. Mit dieser Planung trifft die HBI punktgenau die Buxtehuder Gemengelage. Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt und der Erste Stadtrat Michael Nyveld legen einen Schwerpunkt ihrer Arbeit auf diesen Themenbereich und räumen damit auf nationaler Ebene Preise ab. Wie das TAGEBLATT erfuhr, gehört Buxtehude neuerdings als Gründungsmitglied einer Initiative für klimapositives Bauen an. Details sollen demnächst bekanntgegeben werden. Aber auch in der Buxtehuder Politik besitzt das Thema in Zeiten der Fridays-for-Future-Bewegung einen hohen Stellwert.

Günstige Wohnungen:
Wie in der Giselbertstraße sichert die HBI zu, dass 30 Prozent der Wohnungen über 20 Jahre im preisgedämpften Segment liegen. Diese Wohnungen werden genauso wie alle anderen ausgestattet und über die verschiedenen Häuser verteilt. Der Wohnraum soll wie in der Giselbertstraße, dem AVW-Bauprojekt an der Bahnstraße und dem Projekt am Schützenhofweg der sogenannten unteren Mittelschicht zugutekommen. Das sind Menschen, die arbeiten, aber aufgrund der hohen Mieten in Buxtehude Schwierigkeiten haben, Wohnungen zu finden. Die Personengruppe, deren Wohnungen komplett von der öffentlichen Hand gezahlt werden, hat aufgrund der staatlichen Vollfinanzierung laut Experten weniger Probleme Wohnungen zu bekommen. Die Garagen werden ebenerdig angelegt, die Grünflächen befinden sich darüber.

 

Die Garagen werden ebenerdig angelegt, die Grünflächen befinden sich darüber.


Die Reaktionen aus der Politik:

„Da stecken eine Menge begeisternder Vorschläge drin“, sagte der Grünen-Ratsherr Thomas Lange. Er habe da ein richtig gutes Gebiet vor Augen. „Das ist eine sehr gelungene Idee. Es ist das erste Mal, dass in diese Richtung gebaut wird“, meinte Arnhild Biesenbach, Fraktionsvorsitzende der CDU. „Ich kann mich den Lobgesängen nur anschließen“, sagte SPD-Fraktionsvorsitzende Astrid Bade und forderte, dass das Projekt auf der städtischen Prioritätenliste ganz nach oben rutschen soll. „Wir brauchen dringend Wohnungen.“ Auch Wilfried Peper von der BBG/FWG lobte den Vorschlag. „Das ist ein tolles städtebauliches und energetisches Konzept“, sagte Nyveld. Er und der zuständige Stadtentwicklungsausschuss forderten die HBI auf, die nun vorgestellten Pläne weiter zu verfolgen.

Die kritischen Stimmen zu dem Projekt:
Kritik gab es von der AfD und den Linken. Beide störten sich dabei nicht an dem vorgestellten Konzept. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Helmut Wiegers mahnte angesichts der massiven Bautätigkeiten in der Stadt eine Diskussion um Grenzen beim Wachstum an und forderte, erst die notwendige Infrastruktur wie Kindergärten und Schulen zu schaffen. Während Stadtrat Nyveld dem Wunsch nach einer Debatte um die Wachstumsgrenzen zustimmen konnte, widersprach er der AfD-Darstellung von der falschen Reihenfolge. „Wir investieren gerade massiv in die Infrastruktur“, sagte er angesichts eines 100-Millionen-Investitionsprogramms für die kommenden Jahre. Linken-Fraktionsvorsitzender Benjamin Koch-Böhnke sieht die Wohnungsbaupolitik der Stadt grundsätzlich falsch ausgerichtet. Die Schaffung von zeitlich befristetem preisgedämpften Wohnraum hält er für einen Fehler. Er fordert unbefristeten Wohnraum für sozial schlechter gestellte Gruppen. Damit steht die Linke allerdings im Rat alleine da.

Wie geht es weiter?
Nach den Reaktionen zu urteilen, wird der Bebauungsplan für das Westmoor 2021 die höchste Priorität bekommen. Zuerst werden Stadt und HBI einen städtebaulichen Vertrag aushandeln, der die gemachten Zusagen und Vorgaben der Stadt enthalten wird. HBI-Geschäftsführer Sven Geertz hofft, dass dann der Bebauungsplan Ende 2021 oder Anfang 2022 rechtskräftig wird. Damit könnte 2022 mit der Erschließung und 2023 mit dem Bau der Häuser begonnen werden. 2024 könnten die ersten neuen Bewohner die Wohnungen im Stadtquartier beziehen.